»Weltabsage« und Bittgebet, ein »Jedermann-Spiel« mit Totentanz-Symbolik, entstanden um 1425, nach erfolglosen Schlichtungsreisem und -versuchen (KL 6)
– Originaltext – Das
Original aus Handschrift B –
– Video (Auszug) vom Auftritt bei den Lißberger Leiertagen im Mai 2017 – Noten und Text als JPG –
Meine
Übertragung, wie ich sie singe
I
Ich spür’ ein Tier
mit Füßen breit, und scharf ist jedes Horn.
Das will mich treten in die Erd’
und stoßen und durchbohr’n.
Den Schlund hat es mir zugekehrt,
als sei ich ihm als Fraß beschert.
Schnell naht das Tier
sich meinem Herzen, denn es will mich töten;
seh’, dass ich nicht entkommen werd’,
ich bin in großen Nöten.
So sind all’ meine Jahr’, gelebt auf Erd’
geschrumpft auf einen Tag, die and’ren sind verzehrt.
Ich bin gefordert zu dem Tanz,
mir werden übergeben
all’ meine Sünden als ein Kranz,
die Summ’ von meinem Leben.
Doch will es Gott, der Eine Herr,
so ist die Schuld mit einem Strich nicht mehr.
II
Ich fänd’ es toll,
könnt’ ich ein weit’res Jahr noch haben,
vernünftig leben auf der Erd’
und zahlen kleine Raten,
dass meine Schuld verkleinert werd’
die ich jetzt leider ganz bezahlen soll.
Darum ist voll
mein Herz von Ängsten und von Sorgen.
Mein Tod, der ist dabei der kleinste Teil.
O Seel’, wo bist du morgen?
Wo ist dein Aufenthalt, dein Trost, dein Heil
wenn unterwegs du buß- und reuevoll?
Wo, Kinder, Freund’, Gefährten mein,
sind eure Hilf’ und Rat?
Ihr erbt mein Gut, lasst mich allein
fahr’n in das Büßerbad,
wo Münzen haben kleinen Wert,
nur gute Werke, hätt’ ich die doch nur vermehrt.
III
Allmächt’ger Gott,
ohn’ Anfang oder End’, in allen Stunden,
sei mein Begleiter und mein Schild gar,
dass ich nicht werd’ überwunden
von Luzifer und seiner Schar,
damit ich werd’ entgeh’n der Hölle Banden.
Maria, hold,
erinn’re deinen lieben Sohn der Leiden!
Wie er die Christen also erlöst,
so soll er mich auch nicht meiden.
Durch seine Marter werd’ ich getröst,
wenn meine Seele flieht aus des Leibes Banden.
O Welt, nun gib mir deinen Lohn!
Trag mich fort, vergiss mich bald!
Hätt’ ich dem Herrn statt deiner schon
gedient im wilden Wald,
so wär’ ich jetzt wohl an der rechten Stell’.
Gott, Schöpfer, leucht mir Wolkensteiner hell!
So ging’ ich meine Pfade ohn’ Gefahr.
Gott, Schöpfer, leucht mir Wolkensteiner klar!